Ehemaliges Gerichtsgebäude

Markt 38

Das Haus war von 1718 bis 1848 im Besitz reicher Leinwandhändler:  Andre Campmiller, Mathias und Jakob Öhner, Johann Karl Stölzl, Anton Hummel und Eberhard Löffler. Diese Namen stehen für angesehene Neufeldner Familien, deren Mitglieder nicht nur Kaufleute waren, sondern teilweise öffentliche Ämter begleideten und mit Titeln geehrt wurden. Um einen Eindruck vom Reichtum zu geben: Karl Stölzl, der größte Wohltäter des Marktes, hinterließ 1804 die fast unglaubliche Barschaft von 65.000 Gulden und an weiterem Vermögen 129.324 Gulden.

Eine Bemerkung zum Leinwandgewerbe: Im Verlauf des 18. Jahrhunderts übertraf die Zahl der Leinwandhändler in Neufelden die der Leinenweber-Zunftmeister. Daraus folgt, dass Neufelden ein Leinwand-Handelszentrum für die ganze Umgebung war.

Die aufkommende billigere Baumwolle brachte Mitte des 19. Jh. den Handel mit Leinen zum Erliegen.

Ehemaliges Gerichtsgebäude

Die Marktkommune Neufelden übernahm das Haus im Jahr 1849. Fünf Jahre später wurde es als Bezirksgericht adaptiert. Die Rückseite stößt direkt an das damalige Gefängnis (siehe Leinengasse 2).

Von 1989 bis 2007 war es im Besitz der Republik Österreich, von 2008 bis 2018 von Rechtsanwalt Dr. Behawy Peter und seit 2019 von der SIMENTUM Management & Beteiligungs GmbH.

Denkmalschutz

Auszug aus dem Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 10. Mai 1995:

Ehemaliges Bürgerhaus mit renaissancezeitlichem Kern und josephinisch-frühklassizistischer Fassade; Besitzgeschichte mit Andre Campmiller seit 1718 archivalisch belegt, im Besitz von Leinenhändlern. 1849 Übernahme durch die Marktkommune Neufelden, im Zuge einer Verwaltungsreform an den k.k. Hof Ärar vermietet; 1854 Adaptierung als Bezirksgericht. Seit 1989 im Besitz der Republik Österreich. Um 1980 Fassade neu verputzt.

Stattlicher Repräsentationsbau in städtebaulich markanter Ecklage zwischen Marktstraße und der schmalen „Leinengasse“, in Sichtachse des in südlicher Richtung sich erstreckenden Marktplatzes und gegenüber dem ehemaligen Schloß Velden gelegen. In seiner Tiefenerstreckung ehemals bis zur „Hinteren Zeile“ durchgehend, seit 1854 bis zu den hinter dem Haus errichteten Fronfeste reichend. Mit dem Nachbarhaus (Nr. 18) durch gemeinsame Mauer verbunden. Abfolge von Haupthaus und in Traufhöhe niedrigerem, schmäleren Hinterhaus auf abfallendem Gelände.

Dreigeschossiges Haus; fünfachsige Südfassade mit dreiachsigem Mittelrisalit mit bekrönendem Dreiecksgiebel; hohes Walmdach. Über geböschtem Granitsockel glatt geputzte Fassade mit darunterliegendem älteren Verputz. In der linken Achse Granitportal mit korbbogigem Gewände mit Kämpferkapitellen, Keilstein und Prellsteinen; zweiflügeliges Torblatt mit Zopfbanddekor. Fenster in profilierten Granitgewänden. Putzgliederung durch breite Faschen an den Kanten sowie unterhalb des kräftig profilierten, verkröpften Hauptgesimses; Giebelfaschen. In den Obergeschossen abwechselnd konkav/konvex geschweifte, mehrfach profilierte Fensterbekrönungen mit geschwungenem Auslauf. Im ersten Obergeschoß zweiflügelige sechsteilige Holzkastenfenster, im zweiten Obergeschoß erneuert; im Risalit nach beiden Seiten Spionfenster. Vierpaßförmige Giebelluke. Schmiedeeiserne Fensterkörbe mit Rosettendekor und zopfartigen Bekrönungen. Blechgetriebene Vasenbekrönungen des Giebels, Wasserspeier an der Hauskante.

Neben dem Eingang in der durch den vorspringenden Risalit gebildeten Mauernische Granittisch und an zwei Seiten umlaufende Steinbank (ehemaliger Verkaufstisch). Radabweiser zur Leinengasse.

Im Inneren im vorderen Hausteil breites, in drei Jochen kappengewölbtes Vorhaus mit jochtrennenden Gurten, teilweise Kehlheimer Plattenbelag; zweiläufige Steinstiege mit steigender Flachtone. Straßenseitiger Mittelraum zweischiffige Säulenhalle, jeweils dreijochige tiefgezogene Kreuzgratgewölbe über zwei toskanischen Granitsäulen auf quadratischen Platten, mit Säulenring und Abdeckplatte. Zugang vom Flur durch Eisentüre mit Kreuzbändern, in profiliertem Granitgewände. Anliegender tonnengewölbter Keller in Steinmauerwerk, straßenseitiges Abwurffenster mit Eisenstäben zwischen den Flügeln. Im Mittelteil des Hauses rezent abgeteilter, ehemals quadratischer Raum mit Kreuzgratgewölbe über Mittelsäule. Östlich anliegend zwei weitere kreuzgratgewölbte Joche. Kreuzgratgewölbter Flur in der Mitte des rückwärtigen Hauses gelegen, nach Norden abfallend, westlich anliegender Raum mit zweijochigem Kreuzgratgewölbe. In der Hausmitte führt eine zweiflügelige, breite Holztüre in geschlemmtem Granitgewände in einen weiteren, sich nach Norden erstreckenden Raum mit eingezogenem Ziegelgewölbe (ursprünglich Tonne in Steinmauerwerk). Von diesem aus über Granitstufen Abgang in tonnengewölbten Keller mit abgefastem Granitportal und Granitpflasterung.

Obergeschoßflur querliegend mit vierjochigem flachen Kappengewölbe zwischen breiten, profilierten Gurten mit Putzfeldern, in den Kappen tiefgeputzte geschweifte Stuckspiegel. Mittelraum mit verputzter Flachdecke über quer liegendem Unterzug, umlaufende Hohlkehle. Der östliche Raum ebenfalls flachgedeckt, geschwungener Deckenspiegel und Hohlkehle. Der westliche Raum mit Traversengewölbe. Westlich gerichtete Räume teilweise flach kreuzgewölbt mit breiten angeputzten Faschen; Mittelraum vierjochig mit flachen Kappen zwischen kräftig profilierten Gurten, in den Kappen geschwungene Stuckspiegel. Der nördliche Raum im rückwärtigen Teil des Hauses in drei Jochen kreuzgratgewölbt mit angeputzten Graten und tief eingeschnittenen Kappen. Einflügelige Eisentüre mit Kreuzbändern und Rosette, dahinterliegende, einflügelige, sechsfeldrige Holzfüllungstüre der Mitte des 19. Jahrhunderts. Am Ende des Flurs ein hoher tonnengewölbter Raum – ehemaliger Lichthof.

Durch zweiflügelige zweifeldrige Holzfüllungstüre mit geschwungener Supraporte Aufgang über gerade, zweiläufige Steinstiege in das 2. Obergeschoß. Schmiedeeisernes Stiegengeländer Mitte 19. Jahrhundert. Rezent abgeriegelter, tonnengewölbter Vorraum, geschwungener, profilierter Stuckspiegel. Abgeriegelter, gleichlagriger Flur mit Kappen zwischen profilierten Gurten, Stuckspiegel in den Kappen, durch rezente Zwischenwände verändert. Eiserne Dachbodentüren, aufwendig geschmiedet. Zweigeschossiger Dachstuhl, Sparrendach mit geschweiften und gekerbten Bügen; Flezziegel „AG“ gestempelt.

 

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